Siegfried Höllrigl: Typoésien. Heinz Waibl
Typoésie, ist eine aus dem Französischen stammende Wortverschmelzung aus Typographie und Poesie und benennt die Praxis der Schriftgestaltung, wobei es um Harmonie, Treffsicherheit, Ausgewogenheit und weitere ästhetische Gesichtspunkte geht. Heinz Waibl (1931-2020) und Siegfried Höllrigl (1943) sind in dieser Praxis zu Hause, sie waren Freunde und sind mit Meran eng verbunden.
Kunst Meran widmet Heinz Waibl und Siegfried Höllrigl 2023 deshalb eine Doppelausstellung: es ist die erste posthume Retrospektive für Heinz Waibl und für Siegfried Höllrigl die bisher umfassendste. Dieser begeht im August 2023 seinen 80. Geburtstag.
In Fortsetzung der umfangreichen Recherchen über alpines Produktdesign 2019 (Design from the Alps, Kunst Meran) richtet Kunst Meran mit diesem Projekt einen Fokus auf Druckdesign.
Beziehungen zu schaffen, ist das Ziel aller Typographie. Diese prägnante Formulierung von Kurt Schwitters beschreibt auch, was Heinz Waibl (1931-2020) und Siegfried Höllrigl (1943) mit ihren Drucken und Entwürfen gelingt. Egal ob Grafikdesign oder Handdruck, Gedrucktes sucht nach einer Beziehung zu den Benutzer*innen. Die Form, die Waibl und Höllrigl ihren Entwürfen und Drucken geben, ist einprägsam und schlicht. Dass Kunst Meran das Werk der beiden Schriftkünstler in einer Doppelausstellung miteinander verschränkt und in einer Publikation darstellt, erfolgt aufgrund ihrer großen Begabung im Umgang mit Schrift und dem Bewusstsein, dass Ihre Werke im internationalen Kontext zu den besten ihrer Art gehören.
Obwohl ihr beruflicher Werdegang völlig konträr verlaufen ist, kamen sie ab 1995 öfters zusammen. Heinz Waibl kam aus der analog-handwerklichen Tradition der Bauhaus-Ästhetik und erster Erfahrungen bei seinem Schweizer Lehrer, dem Grafikdesigner Max Huber, in die digitale Kommunikations-und Marketingwelt der Designmetropolen Mailand und Chicago. Siegfried Höllrigl hingegen eröffnet seine Werkstatt für Literatur, Typographie und Graphik als digitale Techniken in den Druckereien den Handsatz verschwinden ließen. Höllrigl erwarb eine ausgemusterte Handdruckpresse und macht sich inzwischen seit Jahrzehnten mit hochwertigen Handdrucken international einen Namen.
Mailand und Meran könnten als Städte nicht unterschiedlicher sein, jedoch schufen Waibl und Höllrigl in ihren Ateliers über viele Jahre Kompositionen herausragende Qualität. Von Zeit zu Zeit trafen sich die beiden in Meran und experimentierten in Höllrigls Offizin S. verschiedene Handrucktechniken. Kunst Meran erzählt in dieser Ausstellung nun über die beiden, zeigt eine Auswahl ihrer besten Arbeiten und rückt damit Typographie und Grafik in den Fokus. Beide Werke zeigen eindrücklich, dass gute Typographie nicht nach dem sucht, was möglich ist, sondern nach dem fragt, was nötig ist (Kurt Weidemann). Eine Tugend, die in der gegenwärtigen Flut grafischer und kommunikationstechnischer Möglichkeiten manchmal verloren gegangen scheint.