Museion Bozen – Asad Raza: Plot
Das Museion – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Bozen präsentiert die interdisziplinäre und prozessuale Ausstellung Plot des Künstlers Asad Raza in Zusammenarbeit mit den Architekten BB (Fabrizio Ballabio, Alessandro Bava), der Künstlerin Lydia Ourahmane und der Choreografin Moriah Evans.
Mit Plot erkundet das Museion neues Terrain für experimentelle und kooperative Formen des Ausstellungsmachens. Im Dialog zwischen bildender Kunst, Wissenschaft, Architektur, Tanz und lokalen Akteur*innen mit einem starken Bodenbezug baut das Projekt buchstäblich auf situiertem Wissen auf.
Ausgangspunkt von Razas Ausstellung sind seine ortspezifische Installation Absorption und seine fortlaufende Videoarbeit Ge. Absorption füllt das zweite Obergeschoss im Museion in Zusammenarbeit mit Bodenkundler*innen und einer Bodenkoordinatorin mit mehr als 60 Tonnen künstlichem „Neosoil“ – einer Mischung aus lokalen Inhaltsstoffen und Abfallprodukten wie Lehm, Sand, Traubentrester, Marmorstaub, Kaffeesatz, Asche aus dem Pizzaofen, menschlichem Haar und anderen Substanzen. Dieses „Neosoil“ wird von Kultivator*innen fortwährend vermengt, umgewälzt, ergänzt und fruchtbar gemacht, um es den Besucher*innen zum Mitnehmen und zur Verwendung in ihren Projekten oder Gärten anzubieten.
Häufig bilden Azad Razas Arbeiten die Umgebung für Interventionen anderer Künstler*innen: In Plot überlässt er seine gesamte Szenerie anderen Akteur*innen, die darin ihre eigenen temporären Kapitel entwickeln. Damit durchläuft Absorption mehrere aufeinander folgende Metamorphosen. Das Fundament für den weiteren Handlungsverlauf wird vom ersten Tag der Ausstellung an in der früheren Bibliothek des Museion gelegt. Diese verwandelt sich in ein Depot für die Zutaten des Bodens und in eine Werkstatt, in der „Neosoil“ zu Lehmziegeln geformt wird.
Für das zweite Kapitel erkunden die Architekten BB (Fabrizio Ballabio, Alessandro Bava) und die Künstlerin Lydia Ourahmane mithilfe dieser Ziegel den Prozess einer „Behausung“ der Szenerie. Hierfür bedienen sie sich einer bis heute aktuellen Bautechnik, die ihren Ursprung in Ägypten hat. Mit einem Ziegelmacher konstruieren sie mit diesem nachhaltigen Material den Prototyp einer kleinen Struktur mit Bezug auf verschiedene Zufluchtsorte: von Biwaks in den Bergen über „Sacelli“-Heiligtümer der Renaissance bis hin zu Schutzräumen in der algerischen Wüste.
Im dritten Kapitel wird diese hybride Umgebung zum Schauplatz für das Debüt von Moriah Evans in Italien – realisiert in Zusammenarbeit mit Tanz Bozen. Out of and Into: PLOT ist eine Neukomposition aus zwei bestehenden Arbeiten der Choreografin: ihrem jüngsten Stück Remains Persist (2022), das in unseren Körpern nachhallende Spuren verschiedener Arten von Informationen verfolgt, und ihrem Frühwerk Out of and Into (8/8): STUFF (2012), mit dem sie expressive Stilbilder des “hysterischen” Körpers erkundet. Indem sie Relikte oder das fruchtbare Erbe ihrer eigenen Praxis absorbiert, schöpft sie aus Prozessen des Verfalls und des Wiederauflebens eine neue ortsspezifische Fortsetzung.
Im vierten Kapitel kehrt die Handlung von Plot zu Absorption zurück. Die Lehmziegel werden wieder im „Neosoil“ zersetzt und die Kultivator*innen erscheinen erneut, um die Chemie der Erde in ein furchtbares Gleichgewicht zu bringen. Während dieser Phase der Ausstellung sind die Besucher*innen wieder eingeladen, so viel „Neosoil“ mitzunehmen, wie sie möchten.
Als eine parallele Erzählung entfaltet sich über die gesamte Laufzeit der Ausstellung Razas Videoarbeit Ge, deren Titel sich auf die griechische Erdgöttin Gaia bezieht. Hierin kartografiert Raza verschiedene Biotope der Erde wie in einem poetischen Tagebuch oder einer Meditation. Die erste Strophe dieser fortlaufenden Videoarbeit mit offenem Ende erkundet eine Küstenlandschaft im Umfeld des Landhauses von James Lovelock, der die Erde in seiner Theorie als selbstregulierendes lebendes System beschrieben hat. Die zweite Strophe enthält ein Rezept für die Herstellung künstlicher Erde zuhause. Im Verlauf von Plot wird sich Ge mit neuen Strophen weiterentwickeln, die unter anderem am Eriesee und in der Ruine des Klosters von Hildegard von Bingen spielen.
Im titelgebenden englischen Wort „Plot“, das sowohl für ein Stück Land, einen Grund(riss) oder die Wendungen einer Erzählung stehen kann, klingen bereits die unterschiedlichen konzeptionellen Dimensionen der Ausstellung an. Wie die Handlung eines Romans entwickelt sie sich in mehreren Kapiteln. Jedes kreiert auf seine Weise poetische und sinnliche Begegnungen zwischen natürlichen und künstlichen, lebenden und nicht-lebenden Wesen sowie ein Gefühl der Durchlässigkeit zwischen Körpern, Architektur und Landschaft.
In einem Epilog wird das verbliebene und in die Museion Passage gebrachte Neosoil während der Langen Nacht der Museen am 8. September verschenkt – als Satgut für neue Landschaften und Fortsetzungen.